Stellen wir uns mal einen Schnäppchensammler vor, der gerade einen alten Schuppen durchforstet. Unter gammligen Plastikplanen steht da irgendwelcher Elektronikkrempel von »damals«, und irgendwo zwischen ein paar alten Ölkannen, Regalen voller Werkzeug und Gerätschaften aus dem Amateurfunk blitzt da doch was … Diese Neugier, diesen Enthusiasmus vermisse ich ein wenig im digitalen Zeitalter, irgendwie ist er zumindest mir ein wenig abhandengekommen …
Früher löste sich ja ab und zu mal eine Band auf, und Jahre später gammelte der ganze nicht verkäufliche Krempel dann noch bei irgendwem im Keller vor sich hin, bis jemand das eine oder andere Schätzchen ganz neu entdeckte. Von dubiosen Gitarrentretminen bis hin zu selbstgelötetem Allerlei war da aber doch ab und zu auch eine Perle dabei, die dann zu neuem Leben erweckt wurde. Ein Alesis Midiverb hatte schon viel durchgemacht, bis es dann endlich bei mir landete … Dieses damit einhergehende Entdecken und Ausprobieren, dieses Testen, Durchmessen, Prüfen und suchend seinen Einsatzzweck zu bestimmen, das ist mir irgendwie mit dem Umzug in die digitale Welt ganz leise und unbemerkt abhandengekommen.
Da kippt so eine Bundle-Installation mal eben 20 Plug-ins gleichzeitig in meinen Ordner, und ich lasse die einzelnen Kandidaten dann wie bei einem schlechten TV-Casting alle kurz einmal aufblitzen. Mal eine Instanz auf ein paar bekannten Spuren eingesetzt, um sie dann im schlimmsten Fall gleich nach wenigen Presets auf Nimmer-Wiedersehen einzumotten. Es hilft zwar etwas, wenn namhafte Größen aus der Audiobranche im Werbetext behaupten, dass man etwas wirklich Tolles mit den neuen Plug-ins machen könnte! Aber wenn ich ehrlich bin: Die Nachfolger der Beatles werde ich wohl leider eher nicht aufnehmen, auch wenn ich es nun zumindest laut der Werbung theoretisch hinkriegen müsste.
Wer hat denn auch die Zeit?
Im analogen Zeitalter gab es diese Masse an plötzlichem Equipment eher selten. Maximal bei einem Lottogewinn, wenn jemand so irre gewesen wäre, das ganze Geld tatsächlich durch ein Tonstudio zu vernichten, ohne sich jedoch mit den ganzen Gerätschaften zu beschäftigen. Bleibt aber auch dort die Frage, ob das für ihn zumindest musikalisch überhaupt ein Gewinn gewesen wäre?
Mangels Lottogewinns konnte ich ähnliche Dummheiten bisher noch nicht im realen Leben nachstellen, aber bisweilen erinnert mich selbst die Standard-Installation meiner DAW irgendwie an so ein Lottogewinner-Studio. Da gibt es zwar alles, aber ich kenne in manchen Bereichen nur Bruchteile davon. Oh, und lieber gleich das neue Update laden, außerdem gibt es inzwischen schon wieder zehn neue Plugins, der Fortschritt hält uns ja schließlich auf Trab. Wie lange würde es denn auch dauern, das ganze Zeug zu erkunden? Das macht doch eh keiner, oder?
Challenge Accepted!
Ein solches Dran-Vorbei-Rennen durch zu kurzes Testen und Ausprobieren hatte ich beispielsweise mit Waves SSL-Bundle. Mein Antesten der beiden Kanalzüge hatte häufig wirklich Parallelen zu den üblichen TV-Castings: »Du bekommst jetzt 30 Sekunden auf diesem Track, überzeuge mich!« Und so landete ich irgendwie häufiger beim E-Channel, aber den G-Channel habe ich kaum eingesetzt, ohne dieses jetzt mit einem genauen Dafür oder Dagegen erklären zu können. Eben bis zu dem Tag, an dem ich mich mal ausgiebig mit meinen vorhandenen »Reste-Plug-ins« beschäftigen wollte, die beim ersten Casting leider rausgefallen waren.
Aufgeräumter Bassbereich
Eine Besonderheit des G-Channel ist, dass wir die Frequenzbereiche der beiden Mittenbänder umschalten können. So kann man dann mit dem unteren Frequenzband wirklich in den Tiefbässen schrauben. Kombiniert mit dem unteren Shelving-EQ eignet sich dieses Feature hervorragend, um den Bass im Verhältnis zur Bassdrum zielgenau abzustimmen. Im Ergebnis könnten auch andere EQs theoretisch so eine Kurve, allerdings reagieren die beiden Bänder in gewisser Weise miteinander und liefern quasi für Rock, Pop, Rap und andere moderne Musik sehr schnell und mit wenigen Klicks einen voluminösen Instant-Sound.
Der Trick auf der Bass-Spur geht so: Wir laden den GChannel, setzen das untere LF-Shelving-Band auf 250 Hz und senken dieses um 3 bis 5 dB ab. Dann aktivieren wir den LMF:3-Knopf und heben die Bässe in dem LMF-Band um einen ähnlichen dB-Wert an − je nach Geschmack. Das Ganze wiederholen wir auf der Spur bzw. der Subgruppe für die Bassdrum.
Stimmt man nun die Frequenzen des LMF-Bandes so ab, dass beispielsweise der Bassbereich eine leicht andere Frequenz bekommt als die Bassdrum, dann hat man blitzschnell einen sehr aufgeräumten und durchsetzungsfähigen Bassbereich. Für einen fertigen Instant-Sound gehört da für mich nur noch ein gemeinsamer Opto-Kompressor auf beide Signale, etwa ein Waves CLA-2A. Dazu schicke ich Bass und Bassdrum vor der Stereosumme auf einen gemeinsamen Bus und komprimiere dort beide Signale gemeinsam.
Zusammen mit dem oberen Mittenband und dem integrierten Kompressor des G-Channel-Plug-ins lassen sich so auch recht unterschiedliche Bass-Signale einfach abstimmen. Obigen Trick habe ich selbst bei einem Tango mit Akustik-Bass eingesetzt und fand ihn als schnelle Ausgangsbasis sehr überzeugend!
Ein Trick gegen das Rauschen …
Als nächste Kandidaten für mögliche unentdeckte Schätze habe ich mir auch die kostenlosen Plug-ins angeschaut, die Apple uns ja auf jedem Rechner im AU-Format bereits mitliefert. Beispielsweise den Apple Dynamikprozessor, der natürlich alleine schon durch seine zurückhaltende GUI völlig unscheinbar daherkommt. Und dabei habe ich in genau diesem Plug-in eine kleine Geheimwaffe für das Entrauschen von Sprach- und Gesangsspuren gefunden − auch bei manchem gezerrten E-Gitarren-Solo dürfte das Ding gut funktionieren.
Zuerst einmal klappen wir die Details am unteren Plugin-Rand auf und setzen die Attack-Zeit ungefähr in die Mitte und die Release-Zeit deutlich auf einen Wert oberhalb von 1,5 Sekunden. Mit der Maus schieben wir nun den Kompressor so, dass dieser unsere Signale ungehindert passieren lässt. Beide oberen Anfasser sollten dazu maximal nach oben verschoben werden. Die beiden unteren Anfasser setzen wir so, dass der Expander in den Gesangs- oder Sprachpausen nur dezent absenkt und schieben die beiden Punkte so, dass das Ergebnis noch einigermaßen natürlich klingt.
Das Plug-in funktioniert für meinen Geschmack mit dieser Einstellung am besten, wenn die Spur bereits etwas komprimiert wurde oder das gewollte Nutzsignal nicht zu große Dynamiksprünge hat. Gerade durch eine Lautstärkeanhebung hinter einem Kompressor treten ja bisweilen Störgeräusche deutlicher hervor; genau dafür wäre dieses kleine Plug-in dann eine gekonnte und kostenlose Lösung!
Ich habe den Trick inzwischen in zig Sprachaufnahmen für Videos eingesetzt, gerade auch zum dezenten Absenken von Stör- und Nebengeräuschen bei ansonsten eher dicht mikrofonierten Signalen etwa aus Lavalier- oder Headset-Mikrofonen.
Neve zum Aufnahmen? Oder API?
Heute stellen sich ja bisweilen Fragen, die sich früher mit normalem Budget kaum gestellt hätten. Das betrifft nicht nur Software! Auch Hardware wird inzwischen durch die diversen Clones legendärer Geräte deutlich erschwinglicher!
Eine meiner neu entdeckten Lieblings-Kombinationen ist die Kombination aus zwei Plug-ins: Kush Omega N und A, beide hintereinander geschaltet und dezenter eingesetzt, als es uns die Default-Einstellungen der Plug-ins vorgaukeln. Das zweite Plug-in nutze ich häufig mit aktivierter −20-dB-Option und stimme den Grundcharakter mit beiden Plug-ins auf das Eingangssignal nach Geschmack ab. Anstatt sich dann für eine Seite zu entscheiden und den Klang nur in eine bestimmte Richtung zu verbiegen, empfinde ich die Kombination aus beiden Plug-ins wesentlich flexibler und finde dort viel häufiger einen praktischen Nutzen.
Auch früher hat man schon ganze Alben beispielsweise mit Neve-Vorverstärkern aufgenommen und am Ende auf einem SSL-Pult gemischt. Also warum nicht auch hier mal zwei verschiedene Klangcharakteristiken kombinieren?
Während ich die Einzel-Plug-ins beim ersten Testen für sich genommen nur ganz nett fand, ist die Kombination aus den beiden bei mir seitdem im Dauereinsatz für die Spuren, die etwas »Dreck« vertragen können.
Fazit
Ich mochte auch früher schon Clavias Nord Modular genau wegen seiner Speichermöglichkeit und der Editor-Software. Sounddiver und das Environment in Logic empfand ich als Fortschritt und keineswegs als Rückschritt! Vielleicht ist es aus dieser Sicht verständlich, dass ich selbst in Arturias Modular gerne ein paar Kabel per Maus bewege und auch dort wieder feststelle, dass ich mich mehr mit den dort vorhandenen Möglichkeiten beschäftigen muss. Während ein Hardware-Modularsystem eben schon immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich zieht, muss man sich beim Plug-in eben dazu entscheiden, die ganzen Möglichkeiten mal ausgiebig zu nutzen und nicht nur Presets durchzuschalten.
Vermutlich schlummern auch in deinem Plug-in-Ordner noch so manche unentdeckten Schätze? Falls du dich ebenfalls auf die Suche machst, wünsche ich dir auf jeden Fall viel Spaß beim Durchforsten und Neuentdecken!