Was klappt eigentlich mit einem High-End-Analog-Studio nicht so einfach?
von Björn Bojahr, Artikel aus dem Archiv
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Oft versuchen wir im digitalen Homestudio, den großen analogen Tempeln nachzueifern. Es gibt sicher Arbeitsweisen und spezielle Tricks, die heute am Bildschirm genauso gelingen, außerdem wanderten in den letzten Jahren viele High-End-Schmuckstücke aus dem Rack in den Rechner. Aber drehen wir den Spieß doch mal um! Welche Dinge klappen eigentlich mit einem High-End-Analog-Studio nicht so einfach?
In den ersten Studiotipps habe ich häufig das Metaplugin von ddmf.eu vorgestellt. Damit kann man auf einfache Weise Ketten aus Plug-ins abspeichern und wie einen gemeinsamen Effekt erneut aufrufen. Warum sollte man sich solche Effektbasteleien überhaupt antun? Geht das überhaupt, oder macht man sich damit das Signal kaputt?
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Im analogen Bereich gibt es bisweilen den Ansatz, möglichst wenige, aber sehr hochwertige Geräte im Signalpfad zu benutzen. Auch wenn übermäßiges Rauschen oder eine negative Signalbeeinflussung gerade bei erstklassigem Studio Equipment nicht zu erwarten ist, lehrt uns doch die Messtechnik, dass am Ende zumindest eine kleine Veränderung des Signals zu erkennen ist. Im digitalen Bereich ist das völlig anders. Es mag sich auf den ersten Blick seltsam anhören, aber du kannst bei vielen Plug-ins 20 Instanzen hintereinanderhängen und dort selbst mit hochwertiger Messtechnik oft keine negativen Veränderungen ausmachen, sofern die Plug-ins das Signal noch nicht bearbeiten.
Ein Blick in die Glaskugel
Manche Kompressor-Algorithmen, die vielleicht sogar höchst musikalische Ergebnisse liefern, sind unterhalb des Threshold-Wertes absolut clean und beeinflussen das Audiosignal dort keineswegs − ganz anders als in der analogen Welt!
Greift der Kompressor allerdings in das Signal ein, erzeugt er vielleicht ganz andere Störeffekte als sein analoges Pendant: Bei kurzen Attacks erzeugt die Regelung eventuell unschöne Verzerrungen, und auch der Bassbereich wird nicht immer per Sidechain passend korrigiert. Wenn du magst, kannst du solche Dinge im Rechner aber mit einer Kombination aus verschiedenen Plug-ins ausgleichen!
Manche Kompressor-Algorithmen, die vielleicht sogar höchst musikalische Ergebnisse liefern, sind unterhalb des Threshold-Wertes absolut clean und beeinflussen das Audiosignal dort keineswegs − ganz anders als in der analogen Welt! Greift der Kompressor allerdings in das Signal ein, erzeugt er vielleicht ganz andere Störeffekte als sein analoges Pendant: Bei kurzen Attacks erzeugt die Regelung eventuell unschöne Verzerrungen, und auch der Bassbereich wird nicht immer per Sidechain passend korrigiert. Wenn du magst, kannst du solche Dinge im Rechner aber mit einer Kombination aus verschiedenen Plug-ins ausgleichen!
Ein Trick, um einem beliebigen Kompressor-Plug-in ganz neue Klangvariationen zu entlocken, besteht beispielsweise in der Vorverzögerung des Sidechains. Du schickst mit dem Metaplugin das Signal in ein kurzes Delay und benutzt dies als Eingangssignal deines Kompressors. Das Originalsignal ohne Verzögerung schickst du in den Sidechain des Kompressors. Somit reagiert der Kompressor früher auf deine Kompression, als das Ereignis an seinem Audio-Eingang überhaupt eintrifft. Solche Tricks sind in analoger Echtzeit gar nicht möglich!
Zwei Tracks trumpfen auf
Eine unbegrenzte Track-Anzahl ist eine Errungenschaft, die wir heute kaum noch zu schätzen wissen. Im analogen Studio war aber jede Spur kostbar, und Korrekturen waren längst nicht so einfach möglich wie heute am Bildschirm. Da Computer außerdem meist genug Leistung mitbringen und eher die Zeit zur Fertigstellung eines Projektes immer knapper wird, kannst du zusätzliche Tracks als schnelle Effekt-Sends einsetzen.
Nehmen wir an, du hast eine Gitarrenspur aufgenommen, die zwar ganz nett klingt, die du aber mit einigen Effekten versehen willst. Dupliziere die Kanal-Einstellungen des Tracks samt allen EQ- und Kompressor-Settings auf einen neuen Track, und gestalte mit weiteren Effekten dein besonderes Effektsignal, beispielsweise ein Delay mit WahWah-Effekt oder ein Effekt-Hall. Jetzt kannst du einfach durch das Zerschneiden und Verteilen der Audiospuren auf den beiden Tracks gezielt bestimmte Bereiche mit Effekten bearbeiten und die anderen Elemente clean lassen.
Dieses Verfahren mag sich nach sinnloser Ressourcenverschwendung anhören, aber die meisten Rechner haben für solche Tricks genug Reserven, und das Schnippeln in Audiospuren geht einfach unverschämt schnell. Es spricht ja am Ende auch nichts dagegen, die Effektspur einzufrieren und die Plug-ins zu deaktivieren! Der Vorteil liegt in der einfachen Kontrolle bestimmter Klangschnipsel ohne aufwendige Controller-Zuweisungen. Auch ein Reverse-Effekt oder Dopplungen sind so total simpel eingebaut. Die Effekt-Intensität steuerst du einfach über die Lautstärke der Einzeltracks.
Etwas Weniger, aber auch mehr
Jeder Mathematiker wird uns bestätigen, dass »weniger und mehr gleichzeitig« nur selten erfüllt wird. Aber genau diesen Wunsch habe ich schon ein paar Mal beim Hall gehört, und übersetzten konnte man den ungefähr so: Das Mischungsverhältnis zwischen Original und Effektsignal im Mix absenken, allerdings die Decay-Zeit erhöhen. Bisweilen ändert sich durch eine längere Decay-Zeit aber der komplette Klangeindruck des Halls, und irgendwie passt es dann auch wieder nicht. Mein häufigster Trick an dieser Stelle ist ein einfaches Delay vor dem Hall. Das sorgt einerseits dafür, dass der Hall etwas länger klingt, aber gleichzeitig der komplette Bereich der Erstreflexionen völlig anders wirkt. Gleichzeitig bleibt die grundsätzliche Klangfarbe des Effekts erhalten. Und da ich das Metaplugin vorhin schon erwähnt habe, will ich kurz anmerken, dass sich die nun folgende Effektkette prima mit dem Plug-in wie ein einzelnes Preset abspeichern und dadurch jederzeit wieder aufrufen lässt.
Modularsystem
Allzu oft neigen wir dazu, mit unserem digitalen Studio den großen analogen Tempeln nachzueifern. Alternativ kann man sich mit Tools wie dem Metaplugin das Studio aber auch wie einen großen Baukasten aus unterschiedlichen Modulen vorstellen. Algorithmisch lässt sich das sogar erklären: Ein guter Filter-Programmcode wird nicht dadurch schlechter, dass ich ihn anders verbaue, denn im klanglichen Ergebnis ist es unserem Computer erst einmal völlig egal, ob die Funktionen nun durch ein anderes Plug-in oder durch einen Aufruf im eigenen Programm realisiert wurden. Anders als in der analogen Welt wird so eine Baukastendenkweise aus komplexen Effekten nicht automatisch zur klanglichen Katastrophe! Der Trick bei diesem Konzept ist, dass du deine Lieblings-Plug-ins, deren Stärken und Schwächen du ja kennst, so in ein modulares Konzept mit einbinden kannst. Du startest quasi schon mit vorgefertigten Modulen, die du bereits gut kennst!
Fazit
Es schadet gar nichts, das digitale Studio fernab von fotorealistischen Oberflächen einfach mal als eine stumpfe Ansammlung von teils hochkomplexem Programmcode zu sehen. Ob das so klingt wie analog? Na, hoffentlich nicht! Oft diskutieren wir gerade bei der Simulation analoger Legenden viel zu lange über klangliche Feinheiten und verpassen durch diese Brille vielleicht ein paar der Möglichkeiten, die sich im digitalen Studio ergeben und uns in ganz andere Soundsphären katapultieren würden. Ich wünsche dir viel Spaß beim Experimentieren!
Sehe ich genauso. Lustigerweise stösst man aber oft auf heftigen Widerspruch, wenn man sagt, ich will gar nicht dass alles „analog“ klingt. Ich fing -wie so viele – als Tangerine Dream Fan mit dieser Art musik an. Besonders die älteren sachen waren mir vorbild. Bis ich begriff, dass der Charme nicht eigentlich das Rauschen und Knacken waren sondern die Erinnerungen, die damit verknüpft waren. Damals war es eben das, was technisch möglich war. Aber ich denke keiner hätte sich beim Lexicon 224 über das Systemrauschen gefreut. UAD hat da tatsächlich einen Schalter der dieses Rauschen an- und abschalten kannn. Man stelle sich mal vor, diesen hätte das originalgerät gehabt.
Nee, vieles ist heute besser. Und die alten Aufnahmen klangen oft aus der Not heraus so.
Sehe ich genauso. Lustigerweise stösst man aber oft auf heftigen Widerspruch, wenn man sagt, ich will gar nicht dass alles „analog“ klingt. Ich fing -wie so viele – als Tangerine Dream Fan mit dieser Art musik an. Besonders die älteren sachen waren mir vorbild. Bis ich begriff, dass der Charme nicht eigentlich das Rauschen und Knacken waren sondern die Erinnerungen, die damit verknüpft waren. Damals war es eben das, was technisch möglich war. Aber ich denke keiner hätte sich beim Lexicon 224 über das Systemrauschen gefreut. UAD hat da tatsächlich einen Schalter der dieses Rauschen an- und abschalten kannn. Man stelle sich mal vor, diesen hätte das originalgerät gehabt.
Nee, vieles ist heute besser. Und die alten Aufnahmen klangen oft aus der Not heraus so.