Mixpraxis

Die drei magischen Noten: Tom Hull aka Kid Harpoon produziert Harry Styles

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Der britische Top-Produzent Tom Hull aka Kid Harpoon hat für Virtuosität nur wenig über. Stattdessen schwört er auf die magischen drei Noten und die intensiven Momente im Studio.

Kid Harpoon im Studio

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Inhalt dieser Story:

Von Florence & the Machine zu Harry Styles.

Akustikgitarre und DAW-Sound.

Toms Werdegang.

Lehrstunden bei Trevor Horn.

Songwriting & Producing.

Hardware im Wohnzimmer.

Echte Writing-Sessions.

The Covid.

Shangri-La und Real World.

Der Gesamteindruck.


»Als Produzent ist es unsere Aufgabe, Emotionen zu wecken«, erklärt Tom. »Dazu braucht es keine Virtuosität. Zwei oder drei langsam gespielte Noten können eine Menge bewirken – ebenso wie ein Song mit gerade einmal zwei Akkorden. Harry Styles Golden hat nur zwei Akkorde. Für mich ist er dennoch einer der besten Songs aus unserer Zusammenarbeit. Obwohl ich Profi bin, bewahre ich mir eine gewisse Naivität. So verhindere ich, dass meine Produktionen zu glattgeschliffen wirken.

Auf TikTok oder Instagram findest du immer irgendeinen unfassbar guten Gitarristen oder Pianisten. Ich denke dann erst einmal: ›Scheiße, warum kann ich das nicht?!‹, stelle dann aber schnell fest, dass mich die Musik gar nicht wirklich berührt. Ich bin zwar angenervt, dass ich so etwas nicht spielen kann, aber viel mehr passiert nicht. Und letztlich geht es auch gar nicht um Virtuosität, sondern um Emotionen – ich denke, es ist wichtig, das nicht zu vergessen.

Im Idealfall bereichern virtuose Musiker eine bestimmte Musik auf ihre Weise. Michael Jacksons Musik ist nicht zuletzt deshalb so unglaublich gut, weil dazu großartige Musiker mit einem Gespür für Pop zusammengekommen sind. Die Songs funktionieren gleichermaßen auf einer technischen und emotionalen Ebene. Das ist für mich die Essenz eines wirklich guten Songs!«

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Von Florence & the Machine zu Harry Styles.

Tom Hull, besser bekannt als Kid Harpoon, kann die oben angesprochenen Fähigkeiten ohne Weiteres für sich verbuchen. Die Tatsache, dass er regelmäßig in den Spitzenpositionen der Billboard Hot 100 Producers Charts anzutreffen ist, beweist das. Zudem gewann er 2023 den Songwriter of the Year Brit Award sowie zwei Grammys.

Toms aktuellste Erfolgsproduktion ist Miley Cyrus’ Megahit Flowers, für den er als Co-Writer und Co-Produzent ausgezeichnet wurde. 2022 brachten ihn Produktionen mit Florence & the Machine, Maggie Rodgers, Lizzo und vor allem für Harry Styles in die Charts. Dessen Album Harry’s House wurde eine weltweite Nummer Eins und erfolgreichster Longplayer in Großbritannien. Es gewann drei Grammys, darunter den für das Album of the Year. Die Single As It Was führte zehn, beziehungsweise 15 Wochen die UK- und US-Charts an. Zudem gilt sie als erfolgreichster Spotify-Song des Jahres.

Angesichts dieser Erfolge feierte eine 2022er-Billboard-Headline Tom als »Pop’s new secret weapon«. Genau genommen ist Tom jedoch kein Neuling. Schon 2011 schrieb er drei Songs für das »Florence & the Machine«-Album Ceremonials mit und ist seitdem regelmäßiger Anwärter für Spitzenpositionen.

Ein wichtiger Aspekt von Toms Fähigkeiten ist sicher, dass er einerseits ultramodernen Sound liefert, den Weg dahin jedoch oftmals sehr traditionell beschreitet: Anstatt sich ausschließlich mit Programmierung, Samples und DAW zu beschäftigen, bevorzugt er »echte« Writing-Sessions mit mehreren Musikern, traditionellen Instrumenten und analogem Aufnahme-Equipment.

Toms erklärtes Ziel, Emotionen der Technik voranzustellen, zeigt sich in vielen seiner Statements: »Richtig schwierig kann es werden, wenn der beste Gitarrist der Welt das Studio betritt und alle glauben, hin und weg sein zu müssen, weil es eben der beste Gitarrist der Welt ist. Tatsächlich ist das Komplexeste und Schnellste nicht immer das Interessanteste – wirklich wichtig ist die richtige Idee – der Moment, wenn dich die Musik total mitreißt. Das kann ohne Weiteres passieren, wenn jemand drei Noten mehr schlecht als recht einspielt, sie aber dann in Ableton genau auf den Punkt bringt oder gar einen Sequencer dazu nutzt. Und plötzlich denkst du: ›Wow, ist das geil! Das hat Vibe!‹

Natürlich kann Handwerk hilfreich sein. Handwerk und Wissen geben dir Möglichkeiten in die Hand, mit denen sich experimentieren lässt. In jüngeren Jahren stand ich auf Punk. Meine Ausbildung war jedoch sehr traditionell. Ich musste ein klassisches Instrument lernen – Gitarre allein hat nicht gezählt. Damals habe ich einen Scheiß auf Musiktheorie gegeben. Jetzt sehe ich das anders und bedaure es gelegentlich, mich nicht umfassender damit beschäftigt zu haben. Lernprozesse befeuern die Kreativität. Und es macht durchaus eine Menge Spaß, wenn du mit Akkorden jonglieren kannst.

Auch das passende Equipment spielt eine große Rolle: Ich arbeite gerne out-of-the-box. Entsprechend umfangreich ist die Hardware-Ausstattung in meinem Studio. Ich nehme gerne akustische Instrumente auf traditionelle Weise auf, spiele Gitarre, Piano, Drums, habe Live-Amps und einiges mehr. Zudem programmiere ich gerne mit der MPC und habe tonnenweise Drum-Maschinen und Synths zur Hand. Mit Samples versuche ich, moderne Sounds zu kreieren. Auch programmierte Musik entsteht also bei mir vielfach nicht allein im Rechner.

Ich finde es einfach spannender, Synths zu spielen, eine Drummaschine zu programmieren oder einen Beat einzuspielen, ihn dann exakt zurecht zu schneiden, zu editieren und in einen Track einzubauen, als alles mehr oder weniger fix und fertig Ableton zu entnehmen. Ein am Drumset eingespielter Beat hat einfach etwas Besonderes und Organisches. Da steckt mehr drin als nur Kick, Snare, Hi-Hat und Percussion. Selbst wenn später die Sounds ausgetauscht werden sollten – das Feeling des Drummers bleibt erhalten.«

Album-Cover von Harry's House
Tom Hull, alias Kid Harpoon, hat bis auf einen alle Songs auf Harry Styles’ Hit-Album Harry’s House mitgeschrieben.

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Akustikgitarre und DAW-Sound.

Diese Aspekte finden sich in jeder Arbeit wieder, die Tom zusammen mit seinem Songschreiber- und Produktionspartner Tyler Johnson für Harry Styles beigetragen hat. Angefangen vom selbstbetitelten Debut von 2017 – Tom hat hier zwei Songs mitgeschrieben und co-produziert – über Fine Lines (2019) bis hin zu Harry’s House, bei dem Tom an fast allen Songs mitgewirkt hat. Die Musik ist zu weiten Teilen eingespielt, nicht programmiert. Mit Elementen aus Funk, Disco, Britpop, Electro-Pop, Americana und Folk verweist sie vielfach auf die Vergangenheit. Samples und DAW-Produktionsmerkmale liefern gleichzeitig moderne Komponenten.

Toms musikalische Vergangenheit hat seine Produktions-Philosophie von Beginn an mitgeprägt. 1982 in Chatham, Kent geboren, entdeckt er mit zehn Jahren für sich die Gitarre. Sie ist auch heute noch zentraler Bestandteil seiner Arbeit: »Mit der Akustikgitarre habe ich angefangen, wusste aber sehr bald, dass ich wie Jimmy Hendrix oder Stevie Ray Vaughan spielen wollte. Ich lernte Singen und Klavierspielen und betrat bald die Bühne. Meine erste Recording-Erfahrung ergab sich mit Jim Riley in dessen Ranscombe Studios in der Nähe von Rochester. Er nahm auf Band auf und achtete sehr genau auf die Performance. Zeitgleich trat ich als Kid Harpoon auf – eine Figur aus einem meiner Songs – und der Name blieb hängen.

Meine Musik war zu dieser Zeit ausschließlich akustisch, hatte aber einen eher untypischen Anspruch: Üblicherweise erwartet man von einem Typen der Akustikgitarre spielt, eher introvertierte, traurige Songs. Ich wollte jedoch das genaue Gegenteil darstellen und die Energie von Künstlern wie Gogol Bordello und anderen Indie-Punk-Bands rüberbringen.«

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Toms Werdegang.

Mit 20 zieht Tom nach London und klinkt sich in die dortige Musikszene ein. Er wird Resident in einem Live-Club namens Nambucca und tourt als Gitarrist mit Künstlern wie Jamie T und The Kooks. 2006 unterschreibt Tom einen Vertrag beim Label Brikabrak und veröffentlicht dort in den beiden Folgejahren als Kid Harpoon die EPs The First und The Second.

2009 erhält Tom einen Vertrag beim Young Turks Label und veröffentlicht dort sein erstes und bis dato einziges Soloalbum Once – produziert von niemandem Geringeren als dem legendären Trevor Horn. Ein paar Jahre später hat Tom die Gelegenheit, mit Paul Epworth zu arbeiten. Beide sieht Tom heute als maßgeblich für die Entwicklung seiner eigenen Produzentenkarriere: »Als es erstmalig darum ging, meine eigene Musik zu produzieren, hatte ich davon zunächst keine Ahnung. Alle arbeiten mit Pro Tools. Wir nahmen jedoch auf Tape auf und überspielten die Sachen erst dann in Pro Tools. Leider hatten wir mit zu wenig Pegel aufgenommen, und beim Boosten in Pro Tools kam das ganze Bandrauschen hoch. Die Sache war also ordentlich danebengegangen, und ich versuchte einen Produzenten zu finden.

Ich hatte zuvor bei Trevor Horns Verlag ZTT unterschrieben. Er erklärte mir, was bei den Aufnahmen schiefgelaufen war. Außerdem schlug er vor, das Solo-Ding zu vergessen. Er wollte eine Band für mich zusammenstellen und die Songs bei einem zweiwöchigen LA-Besuch neu aufnehmen. So gingen wir tatsächlich in sein Haus in LA und mixten später in den Sarm Studios in Notting Hill.

Die Aufnahmen wurden super, aber dennoch war ich mit der Situation nicht wirklich zufrieden. Ich hatte das Gefühl, irgendwie den richtigen Moment verpasst zu haben. Als Künstler suchst du nach einer Welle, die dich mitreißt. Findest du sie, versuchst du, darauf zu reiten – danach die nächste und so weiter. Alles sollte sich vorwärtsbewegen und schließlich bei der Veröffentlichung zusammentreffen. Stattdessen hatte ich das Gefühl, meine Welle verpasst zu haben. Ich musste ohne fertiges Album touren, und der wichtige Moment verging ungenutzt.

Zunächst war ich etwas ratlos, erinnerte mich dann aber an Trevors Arbeitsweise im Studio. Ich dachte: ›Whow, das macht also ein Produzent – sehr spannend!‹ Trevor ist einer der besten Produzenten, die ich kennengelernt habe. Er kann sehr fordernd, manchmal sogar fast ein wenig brutal wirken, versteht es aber gleichzeitig, einen mitzureißen. Allein die Weise, wie er über die Musik spricht, ist sehr interessant: Er sagt etwa: ›Hier muss das Feuerwerk losgehen! Hier machen wir dieses und jenes!‹ Bei mir machte es klick, und ich dachte: ›Ja, so funktioniert es!‹ Und so begann ich, selbst für andere Künstler zu arbeiten.«

Harry Styles
21,6 Millionen Spotify-Streams in 24 Stunden: As It Was von Harry Styles wurde am 2. April 2022 zum weltweit meist gestreamten Song des Jahres ernannt.

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Lehrstunden bei Trevor Horn.

Toms Weg vom unbekannten Singer/Songwriter zum weltweit gefragten Top-Produzenten und Songschreiber verlief über den Umweg des Gastmusikers und profitierte – wie nicht selten – von einer ordentlichen Portion Glück.

»Mit einem Standbein in der britischen Musikszene tourte ich mit Dizzie Rascal, Adele, Florence und einigen mehr. Zuvor hatte ich schon ein paar Texte und ein wenig Musik für Florence beigesteuert. Als meine Künstlerkarriere etwas ziellos zu werden begann, kontaktierte ich sie und schlug gemeinsames Songwriting vor. Angesichts meiner mangelnden Bekanntheit waren weder ihr Manager noch ihr A&R sonderlich beeindruckt. Dennoch stellte man mir einen halben Tag mit Florence in Aussicht. Ich ließ alles andere stehen und liegen und verbrachte eine gefühlte Ewigkeit mit einem Song für sie.

Glücklicherweise sah der A&R tatsächlich Potenzial in diesem Song. Flo arbeitete gerade mit Paul Epworth, und somit hatte ich Gelegenheit, auch ihn kennenzulernen. Paul verpasste dem Song, der schließlich zu Never Let me Go wurde, seine eigene Portion Magie. Schließlich fragte er mich, ob ich am folgenden Tag wiederkommen wolle. Wir arbeiteten also an einem weiteren Song (Leave My Body) und übertrugen einige Texte, die ich für Never Let Me Go geschrieben hatte, in ein Stück mit dem Titel Shake It Out. Somit war ich schließlich an drei Stellen auf dem Album Ceremonials vertreten. Paul lobte meine Arbeit sehr und ermutigte mich, auf diese Weise weiterzuarbeiten. Er sagte: ›Versuch dich nicht an allem – mach’ lieber eine Sache richtig gut!‹

Ceremonials kam bei Hörern und Kritikern gleichermaßen gut an. Shake It Out brachte Tom eine Ivor-Novello-Nominierung. Durch die Mitarbeit an diesem Album öffneten sich für Tom zahlreiche Türen. 2013 standen Songwriting und gelegentliche Produktionen für Künstler wie Jessie Ware, Calvin Harris und viele mehr in seinem Terminkalender: »Jessies Wildest Moments brachte mir eine Menge Aufmerksamkeit. Gleiches gilt für Sweet Nothing mit Florence und Calvin. Letzterer schickte uns einen Track, den Flo und ich zusammen in Trevor Horns Studio weiterentwickelten. Das Ergebnis wurde wiederum von Calvin etwas umstrukturiert und mit einem ganz neuen Track darunter versehen – wirklich super! So hatte ich also meine ersten Hits, die wiederum zur Zusammenarbeit mit Shakira und Years and Years führten usw. Mit einem Mal geriet alles in Bewegung.«

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Songwriting & Producing.

Seitdem hat Tom zahlreiche Credits als Songwriter und Producer sammeln können, darunter etwa für Shawn Mendez (elf Tracks auf dem 2020er-Album Wonder), Lykke Li, Maggie Rogers und viele mehr. Bevor Tom näher auf die Details der Produktion für Harry Styles eingeht, lenkt er die Aufmerksamkeit auf ein paar weitere, generelle Aspekte seiner Arbeit – etwa auf die Tatsache, dass einige seiner Song-Beiträge eine Akustikgitarre beinhalten: »Folk-Gitarre war für mich immer ein wichtiger Einfluss – aber auch Indie-Rock. Als ich jünger war, mochte ich auch Heavy Metal, verabschiedete mich aber davon, als es zu krass wurde. Ich mag einfach gute Songs und gute Texte. Heute nutzen viele Produzenten einen Beat als Ausgangspunkt, um eine Melodie darüber zu spielen. Ich mag das auch, schreibe aber lieber an einem Instrument wie Akustikgitarre oder Piano. Harrys Song Falling entstand in einer halben Stunde am Piano, bei Sweet Creature habe ich Akustikgitarre gespielt. Matilda beginnt mit einer herrlichen Akustikgitarre, um die wir den Song geschrieben haben. Es bringt Punkte, wirklich gute Gitarren- oder Piano-Parts als Basis zu haben – nicht nur ein paar Akkorde.

Es stimmt schon, dass ein Song, der auf klassische Weise mit einem akustischen Instrument geschrieben wurde, auch in jedem anderen Kontext gut funktioniert. Allerdings kann es passieren, dass sich die akustische Version einfach nicht verbessern lassen will. Sie hat vielfach mehr Konsistenz – im Gegensatz zu DAW-basierten Kompositionen, die meist recht deutlich hörbar in verschiedene Song-Abschnitte geteilt sind. Beides hat seine Vor- und Nachteile.

Spannend wird es, wenn Songwriting und Produktion gleichzeitig erfolgen können. Die Arbeit mit dem Sound kann das Songwriting beflügeln und vielleicht sogar dem Songwriter die Qualitäten seiner Komposition deutlicher machen. So etwas passierte bei Flowers, der zunächst von Miley, Michael Pollack und Aldae als Klavierballade geschrieben wurde. Miley kam ins Studio, Tyler ging an einen Synth, und ich nahm mir den Bass. Wenig später stand ein Rhythmus mit Bassline, und Miley sang darüber. Um den entstandenen Cocktail-Vibe moderner klingen zu lassen, kombinierten wir eingespielte und programmierte Drums. So wandelte sich der tolle Piano-Song in einen tollen Disco-Track.«

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Hardware im Wohnzimmer.

Miley besuchte Tom und Tyler Johnson im Harpoon House, Toms Studio in LA. Hier zeigt sich ein weiteres Mal dessen Produktionsphilosophie und seine Vorliebe für echte Instrumente: »Ich habe das Wohnzimmer meines Hauses in ein Studio verwandelt. Das ist leider nicht ganz optimal, weil die Klimaanlage die Stromversorgung etwas aus dem Gleichgewicht bringt. Es gibt eine Menge Equipment dort: ein ganzes Drumset mit Altec-Mikros für ordentlich Vintage-Charakter. Mit einem Overstayer Modular-Channel verpasse ich den Drums einen leichten Crunch. Außerdem habe ich eine ganze Reihe Drum-Maschinen, darunter mehrere 909, 808, eine MPC 3000 und einiges mehr. Eingespielte oder programmierte Beats schicke ich gerne durch den Empirical Labs Fatso Kompressor oder in den Thermionic Culture The Rooster. Manchmal kommt dafür auch ein UnFairchild 670M II oder etwas Ähnliches zum Einsatz. Vor der Aufnahme schraube ich nicht allzu viel an den Geräten herum. Stattdessen nutze ich eine bewährte Einstellung und belasse sie weitgehend.

Da ich gerne einen SSL-Sound wollte, hat mir Spike ein paar SSL-G-Kanalzüge empfohlen. Vor Kurzem habe ich sie mit einem neuen SSL Bus-Kompressor ergänzt – sehr beeindruckend. Weil ich möglicherweise demnächst umziehen werde, ist mein neues API 24-48-Mischpult noch verpackt. Ich mag alte Hallgeräte und Delays und habe mehrere Lexicons und Yamahas, darunter das REV7. Spike findet das zwar scheiße, aber ich mag es. Plug-ins sind eine tolle Sache, echtes Outboard liefert jedoch noch eine andere Qualität, denn nicht selten passiert dabei etwas Unerwartetes. Es ist immer eine Art von Entdeckungsreise, und das fasziniert mich. Wenn du plötzlich einen Sound findest, von dem du zuvor nicht gewusst hast, dass er überhaupt existiert, dann ist das – whow…!

Meine Keyboards und Gitarren werden schon fast zum ernsthaften Platzproblem. Zu meinen Favorites gehören eine 1960er Gibson Melody Maker, eine wirklich schöne 12-Saitige von Guild, ein Rickenbacher Tom Petty 12-Saiter und eine unglaublich schöne Gibson 335, die Harry mir besorgt hat. Zu meinen Lieblings-Synths zählen Yamaha CS-80, ARP Omni und ein Roland Jupiter-8. Für die Aufnahmen habe ich ein Pro Tools HD-System sowie je eine Revox B77 und Tascam 8-Spur Bandmaschine. Ich nutze sie oft für Drums, bevor ich sie weiter in Pro Tools schicke. Auch für alte Sampler habe ich eine Vorliebe, denn sie liefern einen ähnlichen Effekt wie Tape – sie schweißen den Sound zusammen. Eine Zeitlang habe ich alle alten Sampler gekauft, die ich in die Finger bekam, darunter einen Akai S950 und den Ensoniq ASR-10. Den S950 gibt jetzt es auch als sehr schönes Plug-in von Inphonik.

Erste Wahl für Akustikgitarren ist mein Neumann U67. Für die Vocals verwende ich gerne BAE Nickback 1073 Mic-Pres. Die vollständige Signalkette besteht im Idealfall aus einem Telefunken ELA M 251, einem 1073, gefolgt von LA2A und Pro Tools. Bei den Aufnahmen von Maggie Rogers Album Surrender (von 2022) nahmen wir zunächst mit einem Kult-Mikro auf. Später bat sie im Regieraum darum, schnell eine neue Idee einzusingen und schnappte sich spontan ein SM7. Eigentlich mag ich das SM7 überhaupt nicht und hatte große Bedenken. Ihre Performance war aber so gut, dass wir uns für diesen Take entschieden haben. Der Sound hat schließlich auch sehr gut funktioniert.«

Kid Harpoon im Studio

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Echte Writing-Sessions.

Toms erste Zusammenarbeit mit Harry Styles datiert sich auf 2017 und betraf die Songs Sweet Creature und Carolina, die Tom in seinem damaligen LA-Studio Harpoon’s Barn mitschrieb. Das zugehörige Debütalbum wurde von Jeff Bhasker, Alex Salibian und Tyler Johnson produziert. Bei der Produktion von Harry’s House kamen viele der von Tom zuvor genannten Aspekte zusammen. »Ich arbeitete seinerzeit zum ersten Mal mit Harry und Tyler. Die Sachen, die wir vom Produktionsteam zurückbekamen, klangen wirklich gut. In einem größeren, gut funktionierenden Team kommen weit mehr Ideen zusammen als bei einer einzelnen Person. In diesem Fall haben sich wirklich alle gegenseitig ergänzt und etwas ganz Besonderes aus den Songs gemacht. Interessanterweise bin ich eigentlich kein geselliger Mensch und arbeite sehr gerne allein in meinem Studio – dennoch ist Musik in erster Linie ein echtes Gemeinschaftserlebnis.«

Schon das Follow-Up Fine Line wurde zum größten Teil von Harry und Tom geschrieben und produziert – allerdings mit wesentlicher Unterstützung von Tyler Johnson und dem Drummer und Gitarristen Mitch Rowland. Dieses Quartett funktionierte wie eine Band. Ebenso war Engineer Jeremy Hatcher Teil des Teams. Das Entwickeln von Songs mit einer kleinen Band im Studio wurde somit auch zum bevorzugten Workflow für die beiden aktuellen Harry-Styles-Alben. Einer der zahlreichen Hit-Singles war der Song Watermelon Sugar.

»Watermelon Sugar schrieben wir als Erstes. Das passierte in Tylers Studio in Nashville. Ich hatte ein Riff, zu dem Tyler ein paar Akkorde ergänzte. Mitch spielte Drums. Wir nahmen ein Demo auf und hatten schließlich echte Schwierigkeiten, dieses Demo auszuproduzieren. Es gab Probleme, die sich einfach nicht beheben ließen. Wir probierten zahllose Versionen und brauchten insgesamt 18 Monate, um den Song fertigzustellen. Für Harry’s House nahmen wir uns deshalb vor, die Demos grundsätzlich so klingen zu lassen, dass sie gegebenenfalls in der finalen Produktion funktionieren würden.«

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The Covid.

Angesichts der Pandemie musste das persönliche Miteinander stark eingeschränkt werden: »Als wir mit Harry’s House anfingen, schlug Covid zu. Harry musste seine Tour absagen, und stattdessen gingen wir zunächst für einen Monat in Rick Rubins Shangri-La Studios. Schon während der Aufnahmen für Fine Line waren wir dort auf Jeremy getroffen. Wir drehten das Studio auf links, um in der Regie aufnehmen zu können und nutzten das Pult im Aufnahmeraum. Tyler und ich hatten jeweils unsere Workstations dabei und Jeremy sein Recording-Setup.

Die Zeit im Studio war eine seltsame, aber irgendwie auch sehr schöne Erfahrung: Alle fragten sich, ob das jetzt der Weltuntergang wäre und wir alle sterben würden? Oder wie es weitergehen würde? An das Musikproduzieren als unseren Job dachten wir eigentlich gar nicht wirklich. Wir waren nichts weiter als eine Handvoll Freunde, die im Studio zusammen abhingen und dabei Spaß hatten. Das übertrug sich in vielerlei Hinsicht auf die Musik. Rückblickend betrachtet, hatte ich tatsächlich noch nie so viel Spaß bei einer Produktion wie zu dieser seltsamen Zeit.

Einer der Songs, die im Shangri-La entstanden, war Late Night Talking. Harry brachte ein paar langsame Jazz-Akkorde mit, und ich schlug vor, sie schneller zu spielen. Wir legten ein paar Drums darunter und schrieben ein paar Akkorde für den Chorus. Jeder profitierte von den Ideen der Anderen. In unserem Dreierteam gibt es keinerlei Konkurrenz oder gegenseitige Wertung – alles ist erlaubt, ›schlechte‹ Ideen oder ›falsche‹ Herangehensweisen gibt es nicht. Es zählt nur das gemeinsame Ziel, etwas zu schaffen, was wir alle lieben. Und dazu probieren wir alles aus.

Die wirklich guten Songs bleiben bestehen, während die weniger guten nach einer gewissen Zeit quasi ausfaden. Das Schöne an der Zusammenarbeit mit jemandem wie Harry ist dessen Vertrauen in seine Partner. Er hat echt ein Händchen dafür, die passenden Leute zusammen zu bringen und vertraut ihnen und ihren Fähigkeiten. Ich genieße es, keine Musik für mich allein zu machen, sondern die Vision eines anderen Künstlers zu unterstützen. Tyler und ich konnten spüren, wonach Harry suchte, und wir waren sicher, dass er wiederum unser Zutun schätzte.«

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Shangri-La und Real World.

Nach einem Monat in den Shangri-La Studios löste sich das Quartett auf. Es folgten Sessions mit Mitch Rowland in Peter Gabriels Real World Studios sowie weitere in den Angelic- und Henson Studios in London bzw. Hollywood. Der größte Hit entstand jedoch bei Rob Stringer, seines Zeichens Präsident der Sony Music Group und CEO von Sony Music Entertainment: »Rob besitzt ein Landhaus in Henley-on-Thames, westlich von London. Wir mieteten eine Menge Equipment, kauften massenweise Gaffa-Tape und verwandelten das Fernsehzimmer in ein Studio – immer etwas besorgt, ob Rob damit klarkommt. So entstanden dort mehrere Songs, darunter As It Was, Cinema und Love Of My Live. As It Was wurde an einem einzigen Tag fertiggestellt. Tyler kam mit ein paar Akkorden, Harry sang dazu eine Melodie und ich legte einen Beat darunter. Mein neuer Moog One war gerade eingetroffen. Somit entstammen alle Synth-Sounds dieses Songs dem Moog One.

Die Drums nahmen wir in Robs Bücherzimmer auf. Wir gingen davon aus, die rundum angeordneten, randvollen Bücherregale würden einen guten Sound ermöglichen. Leider lagen wir damit komplett falsch – der Beat war toll, der Drumsound jedoch total daneben. Also nahmen wir zusätzlich Kick, Snare und Hi-Hats als Einzelsounds auf und ersetzten damit die ursprünglichen Sounds in der Session. Das hat reichlich Arbeit gemacht, rettete jedoch den Drumsound.

Um den Drums ihre Natürlichkeit zurückzugeben, baten wir Mitch, in den Real World Studios darüber live zu spielen. Abgesehen von den irren Fills, die er am Song-Ende spielte, funktionierten diese Live-Drums jedoch nicht so richtig. Also behielten wir auch die programmierten Sounds. Letztlich ist die erste Song-Hälfte programmiert, dann steigt Mitch ein und explodiert geradezu am Song-Ende. Eine schöne Bastelei – aber genauso arbeiten wir …«

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Der Gesamteindruck.

Auch die Fertigstellung und Post-Produktion von Harry’s House entwickelte sich laut Tom zu einer arbeitsintensiven Angelegenheit. »Das war zum größten Teil der Job von Tyler und mir. Wir arbeiteten – wie immer in dieser Produktionsphase – im Rechner und gingen sehr in die Details, bis wir den Eindruck hatten, der Sound stimmt. Dann hörte sich Harry die Sachen an und kommentierte sie. Tyler und ich haben zeitweise zusammen oder auch getrennt gearbeitet, standen dabei jedoch immer in Verbindung.

Eine wirklich wichtige Sache habe ich bei Trevor [Horn] gelernt: Erstelle dir bei jedem Arbeitsbeginn eine aktuelle Referenz. So kannst du deinen Fortschritt jederzeit mit diesen Ausgangspunkten vergleichen und feststellen, ob du auch tatsächlich Verbesserungen erzielt hast. Der Vergleich mit alten Versionen kann sehr hilfreich sein.

Ich hatte versucht, die Drums größer klingen zu lassen. Das war auch möglich, tat dem Song jedoch nicht wirklich gut. Irgendwie hatten sie dadurch an Feeling verloren. Also beließ ich sie. Ein Hörer erkennt die Qualität eines Songs in seiner Gesamtheit – er achtet üblicherweise nicht darauf, ob die Kick besonders druckvoll klingt oder die Drums extrem fett. Deshalb haben wir immer den gesamten Song im Fokus. Es ist ein bisschen wie beim Kochen – man muss ständig probieren …

Im letzten Produktionsschritt betraten wir Spike Stents Welt. Ihm beim Mixen zuzusehen, ist ein bisschen so wie David Beckham einen Freistoß schießen zu sehen. In unseren Rough-Mixen steckt wirklich eine Menge Arbeit, aber Spike schafft es immer, sie deutlich zu verbessern – einfach Wahnsinn! Ich vertraue hundertprozentig in seine Mixkünste.

Ob ich eine Vorstellung hatte, wie erfolgreich As It Was werden würde? Natürlich waren wir sicher, einen wirklich tollen Song gemacht zu haben – mehr aber auch nicht. Ein richtig großer Hit benötigt jedoch mehr. Da ist das Marketing, der passende Moment für die Veröffentlichung und vieles, vieles mehr. Alle Faktoren müssen passen. Bei As It Was war das so – die Sterne haben günstig gestanden.

Es ist nicht ratsam, während der kreativen Arbeit an kommerziellen Erfolg zu denken. Du musst dich ausschließlich mit dem Song beschäftigen. ›Liebe ich diesen Song über alles? Was bewirkt er emotional in mir?‹ sind die einzig wichtigen Fragen. Alles übrige ist Beiwerk und entzieht sich deiner Kontrolle. Sich darüber Gedanken zu machen, würde bedeuten, der Musik ihre magischen Momente zu nehmen.«

Kid Harpoon(Bild: Josiah Van Dien)

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